Zum 1. Januar 1997 wurde ein neuer Sonderforschungsbereich (SFB) von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bewilligt und als SFB 430 "Zelluläre Mechanismen sensorischer Prozesse und neuronaler Interaktionen" an der Universität Tübingen eingerichtet. Der neu gegründete SFB 430 ist schwerpunktmäßig am Universitätsklinikum Tübingen angesiedelt (Sprecher: Prof. Dr. med. Eberhart Zrenner, Universitäts-Augenklinik). Er beschäftigt sich in 23 Teilprojekten mit den Leistungen normaler und erkrankter Sinnesorgane und der Informationsverarbeitung im zentralen Nervensystem. Besonders im visuellen und auditorischen System sollen die grundlegenden Mechanismen der Reizaufnahme und peripheren Reizverarbeitung und ihrer Störungen analysiert werden wie auch die neuronalen Interaktionen in subcorticalen Abschnitten des ZNS. Ein wichtiger Themenkomplex beschäftigt sich mit den Ursachen degenerativer und regenerativer Mechanismen bei der normalen Entwicklung und bei Krankheitsprozessen, auch im Hinblick auf mögliche therapeutische Maßnahmen. Neurobiologische Grundlagenforschung und medizinische Forschung sind in diesem SFB eng verknüpft. Es geht in den Projekten beispielsweise um Blindheit, Kurzsichtigkeit, frühkindliche Taubheit, Hörstörungen, die Parkinsonsche Krankheit und Bewegungsstörungen.
Inhaltlich gliedert sich der SFB in drei Projektbereiche. Der erste Projektbereich befaßt sich mit der Transduktion und peripheren Verarbeitung sensorischer Signale in Auge und Ohr. Erforscht werden die zellulären und molekularen Grundlagen der Funktion des Innenohres, die genetischen Grundlagen der Phototransduktion im Auge und erblich bedingte Sehstörungen beim Menschen. Methodisch stehen dabei besonders molekular- und zellbiologische Techniken im Vordergrund. Im zweiten Projektbereich werden neuronale Vitalfunktionen und ihre zelluläre Pathologie untersucht. Zentrale Fragen sind dabei die Voraussetzungen für neuronale Entwicklung, ontogenetische Netzwerkbildung und neuronales Überleben bzw. neuronalen Zelltod während der Entwicklung sowie die Mechanismen neuronaler Degeneration und Regeneration im adulten ZNS. Dabei werden gut etablierte und charakterisierte Zellkultur- und in vivo Modelle eingesetzt und mit molekularbiologischen, immunhistochemischen und elektrophysiologischen Techniken bearbeitet. Im dritten Projektbereich soll geklärt werden, wie sensorische Information die Funktion von Zellverbänden beeinflußt, und welche Konsequenzen die Wirkungsweise zellulärer Interaktionen auf die Zielfunktionen neuronaler Informationsverarbeitung bei Seh- und Hörfunktionen haben. Damit ist ein wichtiges Bindeglied geschaffen zwischen der die Zelle isoliert betrachtenden Molekular- und Zellbiologie einerseits, und einem zellbiologisch orientierten systemischen Ansatz andererseits.
Der Sonderforschungsbereich ist ein Verbund von verschiedenen Forschungsprojekten, die am Themenkomplex "Sinnessysteme und ZNS" arbeiten. Da in diesem SFB neurobiologische Grundlagenforschung und medizinische Forschung eng verknüpft werden, arbeiten viele Projektgruppen interdisziplinär zusammen. Diese Projektgruppen sind sowohl in drei verschiedenen Kliniken (Neurologische, Augenklinik und HNO-Klinik) wie auch in vier Instituten angesiedelt, nämlich der Tierphysiologie, der Anatomie, der Physiologie und der Neuropharmakologie sowie dem Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie. In einem dreijährigen Rhythmus findet eine Begutachtung statt, bei der über das weitere Fortbestehen der Projekte entschieden wird. Das Höchstalter eines SFB kann maximal 15 Jahre betragen. Zur Finanzierung des nötigen zusätzlichen Personals, der Investitionen und Verbrauchsmaterialien des SFB 430 stellt die DFG jährlich etwa 2 Millionen DM zur Verfügung.
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